3 Wochen auf der POLARIS von Oban (Schottland) nach Bodø (Norwegen)
Ein Törnbericht von Kathrin Slomma
Was für ein atemberaubender Segeltörn uns mit der POLARIS erwarten würde, hätte ich im Vorfeld nicht erwartet, obwohl ich schon im April eine traumhafte Woche quer durch die Lofoten auf der imposanten Expeditionsyacht mitgesegelt bin. Schon die Anreise vom Flughafen Glasgow nach Oban hat mich verzaubert. Drei Stunden mit dem Bus über schmale Straßen auf denen gerade mal ein Auto Platz hat, vorbei an verträumten Seen und Flüssen und immer die schottischen Highlands im Blick. Daneben die typisch schottischen Häuser aus uralten Steinen erbaut aber so massiv wirkend, dass ihnen wohl kein noch so großer Sturm etwas anhaben kann. Kurzum, die Fahrt war mehr als kurzweilig, weil abenteuerlich und wunderschön zugleich.
In Oban, einer pulsierenden Kleinstadt an der schottischen Westküste, hieß es dann, sich als Fußgänger an den Linksverkehr zu gewöhnen; nicht immer ganz einfach. Bevor unser Törn begann, konnten Sabine und ich noch einen wirklich lohnenswerten Ausflug zur Insel Kerrera unternehmen, wohin wir mit einer kleinen Fähre übersetzten. Die Wanderung über diese so grüne Insel bei sommerlichen Temperaturen stimmte uns jetzt so richtig auf unser Schottland-Abenteuer ein. Wir hatten uns schon jetzt in diese Landschaft verliebt.
Geplant war, zunächst durch den berühmten Caledonian Canal zu fahren und anschließend bis nach Lerwick auf den Shetlands zu segeln. Durch bekanntgewordene Probleme bei den Schleusen des Kanals entschieden unsere Skipper Uwe und Yannick jedoch, Schottland nördlich zu umsegeln. Gleich am ersten Segeltag empfingen wir über Kanal 16 einen Funkspruch, dass im Bereich der Insel Rum Wale gesichtet worden waren. Und weil wir uns ohnehin kurz vor dem kleinen Archipel befanden, hielten wir ab sofort die Augen offen. Einige Zeit später rief Uwe plötzlich: „Da ist ein Wal!“ Sage und schreibe 20 Minuten begleiteten uns letztlich 2 Orcas bis zur Einfahrt in unsere Ankerbucht auf der Insel Canna. Wir waren fasziniert von diesem majestätischen Anblick, wohl wissend, dass vor Gibraltar momentan immer wieder Angriffe der schönen Tiere auf Segelboote geschehen und viel Unheil angerichtet wird. Für uns war es dennoch ein Erlebnis der besonderen Art, zumal wir überhaupt nicht davon ausgegangen waren, Wale in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben. In der Ankerbucht von Canna konnten wir danach bis zum Sonnenuntergang dem „Gesang“ der vielen hier lebenden Seehunde lauschen.
Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück zum Bezahlen der Mooringboje per Dinghi an Land. Am Eingang des kleinen Landhandels stand „Open 24/7“ und wir überlegten, ob es auf dieser fast menschenleeren Insel so etwas wie einen Schichtdienst gibt. Auch in dem urigen Geschäft erwartete uns eine echte Überraschung. Ein komplett ausgestatteter „Tante Emma Laden“ mit offener Kasse und einem Buch, zum Eintragen der Einkäufe. Auch Tiersichtungen konnten separat an einer Wand notiert werden, was wir natürlich auch taten.
Kräftiger aber raumer Wind sorgte während der zwei nächsten Segeltage für eine schnelle Rauschefahrt nach Loch Maddy und Stornoway auf den äußeren Hebriden. Nachts zog ein kleines Sturmtief über Loch Maddy, auf dessen Rückseite wir dann den erneut raumen Wind für uns nutzen konnten. Skipper und Eigner Uwe besitzt wohl das entscheidende Auge für Tiere jeglicher Art, denn kurz bevor wir das Großsegel hochziehen wollten, rief er erneut: „Delfine!“ Wie in der Karibik begleiteten auch sie uns lange Zeit auf ihre wunderbare spielerische Art. Sie schossen förmlich am Boot vorbei, wechselten in atemberaubender Geschwindigkeit vor dem Bug von Backbord nach Steuerbord, hielten inne, steckten den Kopf heraus, um im Nu wieder ihre Geschwindigkeit aufzunehmen.
Unser nächster Schlag gen Norden wurde ein Nachttörn, denn es ging von Stornoway nonstop hinüber zu den Orkneys nach Pierowall. Immerhin eine Strecke von guten 130 Seemeilen. Ein wunderbarer Sonnenuntergang und -aufgang begleitete uns dabei. Diese so einmalige und immer wieder andersartige Lichtstimmung segelnd erleben zu dürfen, war für jeden an Bord ein ganz besonderer Moment. Richtig dunkel wurde es so weit im Norden übrigens nicht und so gab es auch nachts immer etwas zu beobachten. Daneben wurde die gesamte Crew in die seglerischen Belange wie beispielsweise die Nachtwachen mit einbezogen. So hatten auch Uwe und Yannick als Skipper immer wieder ihre wohlverdienten Ruhephasen. In Pierowall lagen wir erneut vor Anker. Eine gemeinsame Wanderung führte uns an einen Ort, dessen weiße Strände uns glaubhaft machen wollten, wir wären in der Südsee. Zumal uns das Wetter auch an diesem Tag mehr als wohlgesonnen war. Eine alte Burg zog uns magisch an und es war eine spannende Zeitreise in die Vergangenheit. Zuvor hatten wir bereits in Stornoway ein mächtiges Schloss, welches seit einigen Jahren als Hotel fungiert, besucht. Die letzte Etappe innerhalb Schottlands führte uns dann zu den Shetlands. Hier wurden wir von etlichen Vögeln begleitet. Dank eines sehr schönen Buchs an Bord, konnten wir viele davon auch eindeutig bestimmen. Allen voran die wunderschönen aber beim Fliegen eher tollpatschig wirkenden Puffins (Papageientaucher), die Basstölpel und Sturmtaucher.
Gemütliche Abende verbrachten wir auch in den schottischen Pubs. Die Herzlichkeit der Schotten beeindruckte uns doch sehr. Auch wenn es eine spürbare sprachliche Barriere gab – der Dialekt ist schon speziell – suchten sie schnell den Kontakt, zogen uns auf die Tanzfläche und gaben uns das Gefühl,dazuzugehören. In den Bann gezogen hat uns auch hier die schottische Landschaft. Einerseits dieses saftige Grün, welches ich vorher so noch nie wahrgenommen habe, andererseits die durch die Stürme und Gezeiten geprägten schroffen Küsten. Viele alte Burgen und Schlösser, manche verlassen aber begehbar, andere wieder restauriert und als Hotel genutzt, konnten wir bewundern. Danke an Uwe und Yannick für diese wundervolle Segelwoche. Durch eure sehr aufgeschlossene und liebenswerte Art entstand eine unglaublich schöne Harmonie an Bord. Im Zusammenspiel mit der SY POLARIS, die eine wirklich tolle und sichere Segelyacht ist, wurde es zu einem unvergesslichen Erlebnis!
Uwe ging nun von Bord und Axel kam als Skipper dazu. Er war auch beim Lofotentörn im April dabei. So trifft man sich auf der POLARIS halt immer wieder. Yannick beschäftigte sich bereits intensiv mit der Wetter und plante unsere zweitägige Nonstop-Überfahrt von Lerwick nach Sandshamn in Norwegen, südlich von Ålesund. Und wir hatten Wetter! Hier in diesem Bereich der Nordsee, wo häufig Stürme hindurchziehen und es schwierig ist, für 2 Tage ein Wetterfenster zu erhaschen, hatten wir eine Überfahrt, die sich bei uns für immer tief im Gedächtnis verankert hat. Zu Beginn der Überfahrt wurde zunächst unser Wachplan erstellt. So konnten alle ihren eigenen Schlaf-Wach-Rhythmus finden. Trotzdem haben wir viele Stunden gemeinsam in der Plicht verbracht, gekocht, Geschichten erzählt, gelacht oder sind in eigene Gedanken abgetaucht. Kein Regen aber einige Wolken, die sowohl den Abend- und Morgenhimmel, als auch das Meer in einem Farbenspiel erscheinen ließen, dass man schon fast kitschig nennen könnte, wenn wir es nicht selbst so erlebt hätten. Zwischendurch stieg das Thermometer auf unglaubliche 20 Grad, was uns für einen Moment dazu veranlasste, Reggae-Musik aus dem Lautsprecher ertönen zu lassen. Durch viele Bohrinseln segelnd, erreichten wir dann glücklich nach ca. 250 Seemeilen das norwegische Festland. Und was gibt es Schöneres, als das Segeln mit dem Wandern zu verbinden. Auf diesem Teil unserer Reise, wurde es quasi zum Ritual, bei jeder Ankunft nach Wandermöglichkeiten zu schauen. Hier in Sandshamn eroberten wir beispielsweise den Gipfel Grøntua und konnten uns dort im Gipfelbuch verewigen. Der grandiose Rundumblick entschädigte für die kurzen Momente der Atemnot auf dem Weg zum Ziel.
Der kommende Segeltag bescherte uns kurz vor dem Anlegemanöver in Midsund, einem kleinen Ort auf der Insel Otrøya, nach ca. zwei Wochen den ersten Regenschauer. Die Wolken hingen tief und ließen nur erahnen, wie schön es bei klarer Sicht sein würde. Sabine und ich zog es trotzdem hinaus in die Natur. Wir hatten gelesen, dass es nicht weit entfernt von unserem Steg die längste, zusammenhängende Steintreppe Norwegens gibt. Erbaut 2017 von Sherpas aus Nepal, die Richtung Midsundhornet führte. Am Kumlokket auf 275 Metern Höhe angekommen, trugen wir uns einmal mehr in ein Buch für Wanderer ein. Der Gipfel lag allerdings noch vor uns und so stiegen wir noch auf ca. 300 Meter Höhe weiter auf. Bis hierher hatten wir einen fantastischen Blick zum Wasser. Aufgrund der niedrig hängenden Wolken mussten wir dann aber leider umkehren, sonst wären wir im Nebel der Wolken verschwunden.
Zurück an Bord wurden wir von den Männern mit einem leckeren Abendessen empfangen. Das tat richtig gut. Über Brekstad ging es nun weiter zur Insel Villa. Eine verwunschene Schärenlandschaft empfing uns. Yannick hatte den Tipp von Skipper-Kollege Guido und Wind und Welle ließen es zu, diese Ansteuerung zu meistern. Klar, dass wir uns danach selbst mit einer abenteuerlichen Dinghi-Tour zur Insel Halmøya belohnten. Abenteuerlich auch deshalb, da es uns einiges an Ideen abverlangte, das Dinghi am Felsen so zu sichern, dass wir uns mit ruhigem Gewissen zu unserer Wandertour entfernen konnten. Aber es hat funktioniert. Die Wanderung bot erneut Momente des Innehaltens. Denn auf dieser Insel trafen wir auf kleine Seen, die fast komplett mit Seerosen bedeckt waren, was wir hier nun wirklich nicht erwartet hätten. Auch Blaubeeren erfreuten unser Herz und waren eine willkommene Abwechslung. Abends zog uns der Leuchtturm Villa Fyr an, den wir in einiger Entfernung erspäht hatten und so hieß es nochmal, die Wanderschuhe überstreifen und auf zur Nachtwanderung. Mittlerweile war es auch nachts fast taghell und der Sonnenuntergang schob sich weit gen Mitternacht.
Eigentlich immer nahmen wir an, es könne nicht mehr schöner werden, aber weit gefehlt. Was uns auf dem Weg nach und in Brønnøysund erwarten sollte, ließ uns fast wähnen zu träumen. Das Wetter bescherte uns einmal mehr Sonne pur und der Wind meinte es ebenfalls gut mit uns. So konnten wir den berühmten Torghatten erst einmal von der Seeseite aus bestaunen. Ein Berg, in dessen Mitte sich ein 35 Meter hohes und ca. 160 Meter tiefes Loch befindet. Hier konnten wir uns mit der POLARIS auf dem Wasser so positionieren, dass wir in aller Ruhe Fotos von dem nun gut sichtbaren Loch machen konnten. In Brønnøysund angekommen, organisierten wir sofort ein Taxi, welches uns zum Ausgangspunkt der Wandertour zu eben diesem Loch fuhr. Welch ein grandioser Wanderweg mit fantastischen Ausblicken zu beiden Seiten. Wir durchquerten nun das Loch im Felsen, in dem es eine tolle Akkustik gab und konnten auf der anderen Seite des Torghatten den Rundweg fortsetzen. Gern hätten wir für einen Moment die Zeit angehalten. Aber das Taxi wollte uns ja schon bald wieder abholen. Gegen Mitternacht erlebten wir im Hafen von Brønnøysund den wohl großartigsten Sonnenuntergang der ganzen Reise.
Beim Ablegen am nächsten Morgen meinte ein Norweger zu uns, wenn wir auf unserer anstehenden Fahrt zum Ankerplatz Lavongsbukta einen der sieben Gipfel der „Seven Sisters“ zu Gesicht bekämen, könnten wir uns glücklich schätzen. Wir hatten gleich 7-faches Glück und konnten über Stunden den berühmten Gebirgszug von See aus bestaunen. Einmal mehr dachten wir „Besser gehts nicht!“ Naja, da ahnten wir noch nicht, was uns die Insel Rødøya zu bieten hat. Bevor wir aber am Steg in Klokkergården anlegten, gab es auf diesem Teilstück noch ein weiteres Highlight: 66°33.555‘ N – 13°04.042 E, wir waren am Polarkreis! Kurz vor Erreichen des bekannten Breitengrades war der Wind eingeschlafen. Wir konnten die POLARIS also ruhigen Gewissens treiben lassen und vollzogen die Polarkreistaufe, immer das berühmte Polarkreis-Monument auf der Insel im Blick. Also hinein ins eiskalte Wasser und einen Schluck Bier zur Taufe. Natürlich nicht alle gleichzeitig, sondern immer nur zu zweit. Wir waren schier aus dem Häuschen. In Klokkergården festgemacht, ließen wir uns abends erst einmal von der Küche des dortigen kleinen Hotelrestaurants verwöhnen, um am kommenden Hafentag noch einmal eine Wanderung der besonderen Art zu unternehmen. Es wurde unsere Picco-Tour. Wir eroberten so viele Gipfel, darunter auch den höchsten, den Rødøyløva mit 440 m. Und auch hier waren es erneut diese phantastischen Ausblicke, die uns ehrfürchtig und mit offenem Mund zurückließen. Zumal die vor unseren Füßen liegende Schärenwelt einmal mehr wie eine Szenerie in der Südsee wirkte. Viele kleine Inselchen und teilweise türkisfarbenes Wasser wollten uns diesen Glauben schenken.
Die vorerst letzte Etappe unserer Reise führte uns schließlich nach Bodø. Auch hier erfüllten sich Skipper Yannick und ich noch einen kleinen Traum. Wir fuhren mit dem Bus bei wiederum sommerlichen Temperaturen und blauem Himmel zum Saltstraumen, dem Ort mit dem stärksten Gezeitenstrom der Welt. Dabei hatten wir das Glück, den Strom zunächst landeinwärts zu sehen, haben dann den kurzzeitigen Stillstand erlebt, um anschließend die grandiose Geschwindigkeit Richtung Meer zu bestaunen. Fast schon etwas traurig bereits in Bodø angekommen zu sein, gönnte ich mir zusammen mit Skipper Axel vor der gemeinsamen Heimreise noch einen Verlängerungstag an Land. Denn auch Bodø hat einiges zu bieten. Wir unternahmen eine wunderschöne Wanderung zum Keiservarden, quasi Bodøs Hausberg. Hier wandelte schon Kaiser Wilhelm II, der ein bekennender Norwegen-Fan war und zu dessen Ehren es sogar eine Gedenktafel gibt. Ob er damals wohl auch blauen Himmel und sommerliche Temperaturen hatte?
Für uns war es ein Segeltörn der besonderen Art. Mit der Kombination aus Segeln, Wandern, Ankern, Natur, Tieren und dem Wissen, dass uns das Wetter wohlgesonnen war. Auf der SY POLARIS haben wir uns rundum sicher und gut aufgehoben gefühlt. Uwe, Yannick und Axel als Skipper haben uns stets in alle seglerischen Tätigkeiten einbezogen. Im Gegenzug haben wir sie auch beim Kochen berücksichtigt :-). Und eins steht schon jetzt fest: Wir kommen wieder!