Spitzbergen 2024 – Ein besonderes Abenteuer mit der POLARIS (Teil 1)
von Guido Dwersteg
Die Vorbereitungen für unser neuestes Segelabenteuer waren sprichwörtlich lang und wierig. Denn unser Ziel sollte dieses mal besonders weit im hohen Norden liegen, genauer gesagt auf Spitzbergen. Ein Revier, welches besondere Anforderungen an Mensch und Material stellt. Hinzu kommen die doch recht umfangreichen behördlichen Auflagen, die im Vorfeld zu erfüllen bzw. abzuklären sind.
Was unsere POLARIS angeht, so waren die notwendigen technischen Vorarbeiten bereits nach dem Winterlager in Bodø weitestgehend erledigt worden. Neben einem großen Service für die Maschine wurde unter anderem auch unsere zweifach redundante Warmwasserheizung noch einmal auf Herz und Nieren geprüft und für die Kommunikation weitab der Zivilisation eine Starlink-Anlage an Bord installiert. Neben der bereits vorhandenen UKW, Iridium- und Kurzwellenanlage also ein weiterer Baustein für Sicherheit und Komfort an Bord unserer Garcia Exploration. Darüber hinaus wurde ein zusätzliches Dinghi aus Hartkunststoff angeschafft. Hintergrund hierfür waren die absehbar rauen Küsten mit schroffen Felsen und Steinen sowie die zusätzliche Sicherheit gegen Beschädigungen durch Polarbären. Unser bisheriges Dinghi verzurrten wir als Backup für alle Fälle auf dem Vorschiff unserer Expeditionsyacht. Auch was die persönliche Ausrüstung angeht, mussten wir uns natürlich auf die neuen Anforderungen einstellen. Neben Überlebensanzügen für alle Crewmitglieder und Gäste wurde auch ein tragbares Notfalldinghi gekauft, welches zumindest eine Person bei einer Beschädigung unseres normalen Beibootes sicher zurück zur POLARIS bringen sollte.
Zum notwendigen „Papierkram“ gehörte dann nicht nur die Anmeldung beim Sysselmester (dem Gouverneur von Spitzbergen), sondern ebenso eine detaillierte Vorstellung unseres Vorhabens mit allen erdenklichen Informationen, wie beispielsweise die geplanten Routen und Landgänge. Crewlisten gehörten ebenso dazu wie die Bewerbung für eine Leihwaffe und Alkohollizenz. Beides wir auf Spitzbergen nämlich sehr restriktiv gehandhabt. Die Waffe ist im übrigen bei jeder Art von Landgängen vorgeschrieben und dient zum Schutz gegen Angriffe von Polarbären. In diesem Zusammenhang haben wir vor Ort außerdem zwei zusätzliche Flareguns für den Abschuss von Schreckschuss- und Leuchtmunition angeschafft. Entsprechende Fachkundenachweise hatten unsere Skipper bereits in Deutschland erworben. Last but not least galt es dann noch eine für das Nordmeer passende Versicherung inklusive Bergung abzuschliessen.
Insgesamt hat das ganze Prozedere dann doch einige Monate in Anspruch genommen. Irgendwann war dann aber alles soweit eingetütet und wir konnten uns daran machen unser großes Ziel in die Tat umzusetzen. Startpunkt unseres Überführungstörns nach Spitzbergen war die nordnorwegische Stadt Tromsø. Ein geschichtsträchtiger Ort von dem in der Vergangenheit bereits zahlreiche Expeditionen gen Norden gestartet sind. Bis hierhin war unsere POLARIS bereits zuvor im Rahmen verschiedener Törns mit Gästen überführt worden.
Zusammen mit Eigner und Skipper Uwe ging es also Ende Juni 2024 per Flieger nach Tromsø. Bei bestem Wetter ging es einen Tag später bereits an Bord. Nach der Übernahme von Vorskipper Clemens erledigten wir noch letzte Arbeiten am Schiff und verstauten die zusätzlich mitgebrachte Ausrüstung. Denn schon am nächsten Tag sollte unsere erste Crew an Bord kommen. Insgesamt 5 Gäste plus Skipper und Co-Skipper.
Für unsere Reise nach Spitzbergen hatten wir uns bereits im Vorfeld einen groben Plan zurechtgelegt. Zunächst sollte es durch die geschützten Innenfahrwasser Nordnorwegens bis hinauf nach Torsvag gehen, einem winzigen Fischereihafen an der Nordwestküste des norwegischen Festlands. Ab hier führte uns die geplante Route hinaus auf die offene See. Die insgesamt gut 500 Seemeilen bis zur Südküste Spitzbergens galt es dann abhängig von Wind und Wetter mit einem Zwischenstopp auf der Bäreninsel auf etwa halber Strecke zu absolvieren. Ein Törn von etwa 4 bis 5 Tagen. Das Wetter selbst verhieß gute Segelbedingungen mit stabilen Winden um die 5-6 Beaufort aus West bis Südwest.
Am Folgetag war es dann soweit. Unsere Gäste trudelten nach und nach am Steg ein und bezogen anschließend Ihre Kabinen und Kojen. Was folgte war die dieses mal doch etwas umfangreicherer Verproviantierung. Immerhin wollten wir für die nach 6-8 Tage unabhängig sein, bevor wir uns in Longyearbyen – dem Hauptort von Spitzbergen – mit neuem Proviant versorgen konnten. So wurden Unmengen von Getränken und Lebensmitteln in allen erdenklichen Ecken der POLARIS verstaut. Anfangs befürchtete ich schon, dass wir das alles gar nicht unterkriegen. Aber unsere Garcia ist diesbezüglich doch ein echtes Raumwunder. Überall gibt es doch noch eine Ecke oder Schublade in der man etwas unterbringen kann. Unseren letzten Abend in Tromsø verbrachten wir dann in einem gemütlichen Restaurant und ließen es uns noch einmal so richtig gut gehen.
Mit der Tide ging es dann am nächsten Vormittag los. Unser Generalkurs für die nächsten Stunden hieß nun NORD bis NORDOST. Durch die teils weitläufigen aber auch engen Fahrwasser nördlich der Lofoten ging es so unter Maschine Richtung Torsvag. Segeln ist hier leider nur selten möglich, da die besagten Innenfahrwasser von den umliegenden Bergen doch sehr stark gegen die Seewind abgeschirmt werden. Wenn es Wind gibt dann nur sehr wechselhaft oder gerne auch mal genau auf die Nase. Ungefähr 50 Meilen betrug die Distanz, bis wir am frühen Abend den Fischereihafen von Torsvag erreichten und die Leinen festmachten. Viel los war hier nicht. Eine Handvoll Fischerboote schaukelte an der Steganlage und Menschen waren weit und breit keine zu sehen. Warum auch? Schließlich war Sonntag und damit Feierabend … selbst für die ansonsten so quirrligen Fischer. Mangels Infrastruktur an Land gab es danach einen gemütlich Bordabend, wobei unsere Crew und insbesondere Stammgast Marco als gelernter Koch seine Küchenkünste unter Beweis stellen konnte. Und schon auf dieser noch recht überschaubaren geografischen Höhe nach Norden wurde es nachts schon nicht mehr wirklich dunkel. Das sollte auf unserem weiteren Weg nach Norden natürlich noch deutlich zunehmen, bis hin zur berühmten Mitternachtssonne.
Start unserer langen Überfahrt war am nächsten Morgen gegen 10 Uhr. Zuvor gab es noch ein kurzes Crew-Briefing in dem wir unser Vorhaben noch einmal erklärten und auf die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen hinwiesen. Dann ging es endlich los. Dicht unter Land ließ der angesagte Wind noch etwas auf sich warten, weshalb wir zunächst unter Maschine etwas Abstand zur Küste gewinnen mussten. Schon bald konnten wir aber die Segel setzen und blieben dabei ganz konsequent bereits im ersten Reff. Immerhin sollte der Wind bis auf 7 Beaufort in Böen zunehmen. Und genau so kam es dann auch. Von Stunde zu Stunde nahm die Brise zu und bescherte uns eine manchmal ruppige dafür aber schnelle Fahrt.Wie auf einer langen Etappe üblich braucht es dann einige Zeit bis sich alle Crewmitglieder und auch die Skipper an den Langfahrtrhytmus gewöhnt haben. Es ist anfangs doch immer wieder ungewohnt und auch anstrengend, wirklich alles bei Krängung und Seegang zu erledigen. Das gilt auch für die alltäglichen Dinge wie schlafen, kochen und den täglichen Toilettengang. Für die anstehenden Meilen hatten wir zudem einen Wachplan erstellt. Natürlich wurde jede Wache von einem unserer Skipper betreut und geleitet. Zusätzlich war aber auch hier die Crew gefragt, um bei Manövern zu helfen, Ausguck zu gehen und sonstige Bordaufgaben zu erledigen. So ging es in die erste „Nacht“. Wie gesagt: Nacht kann man nicht wirklich sagen, da es nicht mehr dunkel wird und sich diese Phänomen mit zunehmender Höhe nach Norden weiter verstärkte.
Der Wind hatte sich unterbrochen von eingen kurzen Ruhephasen mittlerweile bei stabilen 6-7 Beaufort eingependelt. Der Seegang nahm stetig zu und in der Zwischenzeit sollten die höchsten Wellen sicher mal die 4 Meter-Marke erreichen. Unsere POLARIS liebt diese Bedingungen. Mit guter Fahrt von durchschnittlich um die die 7-8 Knoten rauschten wir Wichtung Norden. Hier und da schlich sich dennoch auch mal etwas Übelkeit bei unseren Gästen ein. Insbesondere nachdem Co-Skipper Guido seine Kochkünste mit einer Champion-Creme-Suppe unter Beweis gestellt hat :-). Wirklich seekrank ist aber niemand geworden und spätestens wenn man einmal die Fische gefüttert hat, wird es eh meistens besser.
Viel Schiffsverkehr gab es auf unsere Fahrt nach Norden nicht. Einzig ein großer Fischtrawler und eine Fähre im Kreuzfahrtformat waren unsere Begegnungen auf hoher See. Dafür hatten wir schon jetzt regelmäßig Besuch von größeren und kleinen Fischen, Delfinen und Walen. Auch Seevögel waren während der Passage stets um uns herum. Manchmal hatten wir fast das Gefühl ,dass uns ein paar gefiederte Einwohner von Torsvag auf unserem Weg nach Longyearbyen begleiten wollten. Nach etwa 48 Stunden Fahrt war es dann soweit. Am wolkenverhangenen Horizont tauchten die schroffen Umrisse der Bärensinsel auf. Unser erstes Zwischenziel lag nun unmittelbar vor uns. Ob wir bei dem starken Wind und dem damit einhergehenden Seegang hier wirklich ankern konnten, musste sich erst noch zeigen.
WOLLEN AUCH SIE EIN SOLCHES ABENTEUER AUF DER POLARIS ERLEBEN?